Rechen- und Stielfabrikation • Karl Schmid e. K. • Schopfloch/Schwäbische Alb
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Die Freude an seiner Arbeit hat Karl Schmid nie verloren. So verlässt der Rechen-
macher aus Schopfloch morgens gegen sieben Uhr seine Wohnung, läuft quer
über den angrenzenden Hof, wo sich auf Paletten Buchen- und Eschenholz
türmen, lässt das Sägewerk rechts liegen, und schließt die grün lackierte Metalltür
zu seiner Werkstatt auf.
Die schwere Tür, die ein bisschen klemmt, bleibt nur an Sonntagen verschlossen.
Dann gönnt sich der fast 87-jährige Karl Schmid eine Ruhepause. An allen ande-
ren Tagen aber werkelt er von morgens früh bis gegen 18 Uhr, getreu seinem
Motto ,,I kann net ogschafft sei."
Unter dem lauten Getöse der gut 60 Jahre alten Maschinen fräst, sägt, schmirgelt
und poliert er grobe Vierkanthölzer zu glatten Stielen, die angenehm in der Hand
liegen. Bohrt Löcher in das Rechenhaupt, sodass die Späne in alle Richtungen
fliegen und es plötzlich angenehm nach warmen Holz riecht. Fixiert dann die sorg-
sam gesägten Rechenzähne mit wenigen Hammerschlägen in den dafür vorgese-
henen Löchern. Macht den Wackeltest und sagt schließlich zufrieden: „Da fällt
kein Zahn raus, auch nicht in zehn Jahren."
Alle Zähne sind rausgefallen
Dann verrät Karl Schmid, wieso die Zinken seiner Rechen ganz ohne Leim bom-
benfest sitzen. “Das Holz für die Zähne muss trocken sein, das für das Rechen-
haupt feuchter", sagt er. Wenn das Holz des Rechenhaupts trocknet, sich zusam-
menzieht und die Löcher enger werden, dann sitzen die Zähne noch fester. Mit
einem verschmitzten Lächeln erzählt er, was einem Händler widerfahren ist, der
vorübergehend anstatt Rechen aus seiner Werkstatt Billigware aus dem Ausland
ins Sortiment genommen hat: „Alle Zähne sind rausgefallen und sie mussten sie
einzeln reinleimen." Fortan standen wieder Rechen „Made in Schopfloch" in dem
Laden.
Im Jahr 1944 hat Karl Schmid eine Ausbildung als Wagnermeister in der Werkstatt
seines Vaters begonnen. Geschafft wurde damals noch mitten im Flecken, was
wegen des Maschinenlärms nicht jedem Nachbarn gefiel. Kurz vor Kriegsende
wurde der Lehrbub noch eingezogen, landete in französischer Kriegsgefangen-
schaft und musste nach seiner Entlassung kräftig ran im elterlichen Betrieb, weil
der Vater krank aus dem Krieg heimgekehrt war. Gemeinsam mit einem seiner vier
Brüder hat Karl, der älteste Sohn der Familie, Anfang der 1950er-Jahre eine
geräumige Halle am Ortsrand von Schopfloch als neuen Firmensitz gebaut. Der
Maschinenpark, der in der Werkstatt steht, stammt noch aus dieser Zeit. Er ist
komplett mit einer dünnen Schicht aus gelbem Holzstaub überpudert und verrich-
tet Tag um Tag seinen Dienst, genauso wie die wenigen Modelle, die noch von
Karl Schmids Großvater stammen. "Wir haben für jeden Arbeitsschritt eine eigene
Maschine", sagt Karl Schmid stolz - das erspart ihm mühsames Umstellen.
Mit dem Bauboom kamen die Schaufelstiele
Der Rechenmacher zeigt auf die betagte 5-PS-Bandsäge, an der ein verstaubter
Kehrwisch baumelt, geht vorbei an der Kreissäge, und steuert auf die U9 zu, eine
Schaufelstielfräsmaschine Baujahr 1953. Das grün lackierte Gerät hat Karl Schmid
angeschafft, als die Nachfrage nach Rechen und Holzgabeln zurückging. Weil das
Baugewerbe boomte, begann er, auch Stiele für Schaufeln herzustellen.
Karl Schmid geht durch die Halle, vorbei an der Wand mit seinem gerahmten
goldenen Meisterbrief, den ihm die Handwerkskammer zum 50. Jubiläum seiner
Meisterprüfung überreicht hat. Er schaltet das Gebläse ein, ein jaulendes Ge-
räusch ertönt. Dann setzt Schmid die Fräsmaschine in Gang, greift sich ein knapp
zwei Meter langes Vierkantholz und schiebt es in die Maschine.
Er baut württembergische und badische Rechen
Jeder Handgriff sitzt. Zwischendurch fördert Schmid aus einer der vielen Taschen
seiner Arbeitshose einen Schraubenzieher zutage und zieht rasch eine Mutter
nach. Gleich darauf hat die Fräsmaschine mit lautem Getöse das Holzstück kom-
plett geschluckt und spuckt in Nullkommanichts einen runden Stiel aus.
Mit wenigen Schritten ist Karl Schmid an der Rundstabschleifmaschine, jagt das
gerundete Stück Holz an einem rotierenden Stück Schleifpapier vorbei. Danach
lässt er den Stab durch seine Hände gleiten und macht den Fühltest, nickt zufrie-
den. "Wir verwenden Schleifpapier mit Körnung 150 und machen die Stiele extra
fein", erklärt er.
Dass Stiel nicht gleich Stiel und Rechen nicht gleich Rechen ist, verstehen Besu-
cher erst, wenn Karl Schmid die Tür zu seinem Lagerraum aufschiebt und die
unterschiedlichen Modelle vorführt. Da gibt es den klassischen Holzrechen, der im
Württembergischen verbreitet ist. Dessen Stiel teilt Karl Schmid mit der Säge an
der einen Seite in zwei Hälften. Die Enden fixiert er in den beiden Löchern, die er
zuvor im Abstand von etwa 20 Zentimetern ins Rechenhaupt gebohrt hat. Fertig!
Das badische Modell ist aufwendiger anzufertigen, aber stabiler. Hier spaltet Karl
Schmid den unteren Bereich des insgesamt dickeren Stiels in drei Teile auf und
verankert jedes einzelne in einem der drei Löcher des Rechenhaupts. „Im Badi-
schen haben sie die Rechen dazu benutzt, um die Erde zu Spargelreihen aufzu-
häufeln", erklärt Schmid den Grund, wieso dieses badische Modell stabiler sein
musste.
Besonders stolz ist der Schopflocher auf den Rechen, den sein verstorbener
Bruder und er in den 1960er-Jahren entwickelt haben. „V-Rechen" nennt Karl
Schmid die stabile Kreation mit hölzernem Stiel und Rechenhaupt, in dem aus
Stahl gefertigte, v-förmig zurechtgebogene Zähne stecken. Sie sind, anders als
die hölzerne Variante, bruchfest.
Egal, ob V-Rechen, badisches oder württembergisches Modell: Karl Schmid liefert
seine gesamte Produktpalette, zu der auch Schaufel-, Spaten- und Hauenstiele
gehören, noch selbst an seine Kundschaft. “Die Kunden erwarten das", sagt er. Er
setzt sich ein bis zwei Mal pro Woche hinter das Steuer seines grauen VW Prit-
schenwagens und fährt die Ware aus. Seine Touren führen ihn bis ins Badische,
wo er zum Beispiel das Zentrallager der Raiffeisenmärkte in Kehl am Rhein belie-
fert.
Früher ist Karl Schmid auf einem Motorrad mit Anhänger zu seinen Kunden ge-
knattert. Und vor dem Krieg hatte man ein Handwägele zum Ausliefern, aber da
war die Kundschaft auch im Umkreis von zehn Kilometern ", erzählt der Schopf-
locher.
Schon der Uropa fertigte Rechen für die Bauern
In seiner Familie hat die Arbeit mit Holz eine lange Geschichte. Auf einem Liefer-
schein, den Karl Schmid aus einer Ecke seiner mit Sägemehl überpuderten Werk-
statt herauszieht, prangt der Schriftzug "Tradition seit 1870".
Schmids Urgroßvater, ein Wagner, hat damals Hand- und Leiterwagen als Trans-
portmittel hergestellt. Da fahren heute noch welche rum", sagt Karl Schmid stolz.
Außerdem fertigte schon der Uropa Rechen für die Bauern in Schopfloch und der
Umgebung. Sein Sohn und wiederum dessen Sohn folgten seinem Beispiel. Da
war es nur logisch, dass auch Karl Schmid bei seinem Vater in die Lehre ging.
Sein Holz kauft er bei Gemeinden, Städten und Forstämtern der Region. Bis vor
zwei Jahren hat er es noch selbst im eigenen Sägewerk zurechtgeschnitten, auf
Paletten gesetzt und ein bis zwei Jahre trocknen lassen. Inzwischen aber wird es
angeliefert - es gibt auch so genug zu tun für den betagten Rechenmacher und die
zwei 450-Euro-Kräfte, die er beschäftigt.
Gerade einmal ein Stündchen Mittagspause genehmigt sich der fast 87-Jährige
während seiner Sechs-Tage-Woche.
Wer rastet, der rostet - davon ist Karl Schmid zutiefst überzeugt. Wenn die Leute
nicht mehr gerne schaffen, dann fängt das Ende langsam an. Und wenn man sich
nicht bewegt, geht es gleich ganz schnell den Bach runter", sagt der Mann mit der
Schildkappe, und fügt - wie als Beweis - hinzu: „Ich war noch nie krank".
Ein Grund dafür mag sein, dass er seine Arbeit mit Freude verrichtet Und während
sich andere spätestens mit 65 in den Ruhestand verabschieden, denkt er nach
mehr als 70 Arbeitsjahren nicht einmal im Traum daran, in Rente zu gehen.
Karl Schmid ist am 10. April 2021 gestorben!
Text: Auszug aus Bericht über Karl Schmid im Magazin Alblust 2/2016
Karl Schmid †
Im Rechenzentrum
Seit über 70 Jahren arbeitet Karl Schmid - und denkt nicht im Traum
ans Aufhören:
Der Rechenmacher feiert im Sommer 2016 seinen 87. Geburtstag,
steht immer noch täglich in seiner Werkstatt in Schopfloch und ist
stolz drauf, dass seine Zähne bombenfest sitzen.
Geschichte